Aktuelles
05.02.2019

„KI mit europäischen Werten“

Dr. Jens Zimmermann im Interview mit dem ipg-journal über Europas Chancen auf dem Feld Künstlicher Intelligenz und die Dominanz der Digitalkonzerne.

Sie warnen vor der Einflussnahme auf öffentliche Debatten im Internet, beispielsweise durch Social Bots und Trollfabriken. Stellen Künstliche Intelligenz und Soziale Medien eine Bedrohung unserer Demokratie dar?

Wir müssen massive Veränderungen des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken feststellen. Leider ist die Debattenkultur im Netz immer häufiger aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Auch das Vertrauen in die Medienlandschaft ist in Gefahr, wenn der US-amerikanische Präsident Medien als Fake News beschimpft, wenn in Deutschland die Medienberichterstattung als „Lügenpresse“ und als „Staatsfunk“ verunglimpft werden oder Journalistinnen und Journalisten bei der Wahrnehmung ihrer Berichterstattungspflicht attackiert und bedrängt werden. Oder wenn Fake News durch Bots und Trollfabriken verstärkt werden. Deshalb müssen wir uns fragen: Was müssen wir tun, um einen freien und offenen sowie faktenbasierten Diskurs als Grundvoraussetzung einer offenen und freien Gesellschaft erhalten zu können?

Wie lassen sich manipulative Eingriffe in die öffentliche Meinungsbildung vermeiden und wer ist in der Pflicht?

Wir sind alle in der Pflicht. Es muss endlich auch darum gehen, Haltung zu zeigen. Neben der Frage, wie man mit rechtswidrigen Inhalten umgeht, stellt sich natürlich auch die Frage, wie man der Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses begegnen und wieder eine respektvolle Debattenkultur etablieren kann. Die Tatsache, dass Menschen im Internet gezielt Fake News oder auch Hass verbreiten, kann man nicht allein durch rechtliche Maßnahmen lösen. Die Politik, die Parteien, die Medien, die Gesellschaft und jeder Einzelne müssen immer wieder deutlich machen, dass sie nicht bereit sind, gezielte falsche Tatsachenbehauptungen und Manipulationen zu akzeptieren – online wie offline. Wenn in Diskussionen die Würde von Menschen angegriffen oder diese diffamiert werden, muss entschieden widersprochen werden. Wenn gezielt Falschmeldungen verbreitet werden, muss entsprechend richtiggestellt werden. In besonderer Verantwortung sind die Anbieter der Kommunikationsplattformen und dieser müssen sie auch Rechnung tragen, wenn es darum geht, deutsches und europäisches Recht durchzusetzen – das war und ist das Ziel des Netzwerkdurchsetzungs-Gesetzes (NetzDG).

2018 wurden gleich mehrere Datenskandale bei Facebook bekannt. Welche konkreten Schritte sind nötig, um die missbräuchliche Nutzung privater Daten zu verhindern?

Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) haben wir einen europaweit einheitlichen Rahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten geschaffen, dem sich die Dienstanbieter nicht länger entziehen können. Jetzt muss es darum gehen, dieses Recht auch durchzusetzen. Bei der datenschutzkonformen und datenschutzfreundlichen Ausgestaltung der Anbieter sozialer Netzwerke und insbesondere bei Facebook sehe ich durchaus noch Luft nach oben. Es ist jetzt Aufgabe der Datenschutzaufsichtsbehörden, auf die Wahrung der rechtlichen Vorgaben zu drängen und deren Nichteinhaltung zu sanktionieren. Facebook und die anderen Anbieter müssen ihre Geschäftsmodelle und deren Umsetzung dahingehend prüfen, ob diese mit dem europäischen Recht vereinbar sind. Außerdem müssen sie viel mehr für die Sicherheit der Daten ihrer Nutzer tun, um derartige Datenskandale zu verhindern.

Die großen Digitalkonzerne haben innerhalb kürzester Zeit eine unfassbare Dominanz entwickelt. Lassen sich ihre Monopolstellungen überhaupt noch aufbrechen?

Der Tendenz zur Monopolbildung der digitalen Plattformen müssen wir im Zweifel auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht entgegenstellen. Deswegen brauchen wir ein Update des Kartellrechts, um schneller und wirksamer gegen den Marktmissbrauch vorzugehen. Das Bundeskartellamt unternimmt ja bereits erste Maßnahmen, beispielsweise gegen Facebook. Was ich für besonders problematisch halte – und bereits damals nicht als genehmigungsfähig angesehen habe – ist beispielsweise die Verflechtung von Facebook und Whatsapp.

Sie unterstützen die Initiative von WWW-Erfinder Tim Berners-Lee für ein freies und offenes Internet. Damit sollen Datenmissbrauch, Desinformationen, Hassbotschaften und Zensur eingedämmt werden. Zu den ersten Unterzeichnern gehören auch Facebook und Google. Sehen Sie tatsächlich ein ernsthaftes Interesse bei den Digital-Konzernen oder lediglich eine PR-Aktion?

Ja, ich unterstütze ausdrücklich diese wichtige Initiative von Tim Berners-Lees für ein neues Regelungswerk für die Freiheit und Offenheit des Internets. Sichergestellt werden sollen mit diesem neuen Vertrag hohe Standards für ein freies und offenes Netz, insbesondere besseren Internetzugang und wirksameren Schutz der Privatsphäre. Ich finde es auch gut, dass sich Unternehmen wie Google und Facebook diesem Vorschlag anschließen. Ich erwarte aber auch, dass dies nicht nur eine PR-Aktion ist, sondern konkrete Folgen hat. Wir brauchen beides: Solche internationalen Initiativen sind wichtig, um Debatten anzustoßen. Wir brauchen aber selbstverständlich auch strikte gesellschaftliche Vorgaben, etwa zum Schutz der Privatspähe, zum Recht auf schnelles und sicheres Netz oder zur Netzneutralität.

Im November hat das Bundeskabinett die Strategie „Künstliche Intelligenz“ beschlossen. Was sieht die Strategie konkret vor?

Die Strategie verfolgt das Ziel, Deutschland zu einem führenden KI-Standort zu machen und stellt dafür bis 2025 insgesamt drei Milliarden Euro an Fördergeldern zur Verfügung. KI ist eine ganz entscheidende Technologie für die künftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts. Schwerpunkte sind Forschung und Entwicklung und der Transfer in die Wirtschaft, die Nutzung von Gründungsdynamiken, die Bedeutung von KI für Arbeitswelt und Arbeitsmarkt und die Gestaltung des Strukturwandel, die Fragen der Aus- und Weiterbildung sowie der Fachkräftegewinnung und die Frage der Bedeutung und Verfügbarkeit von Daten. Daneben geht es auch um den zu schaffenden Ordnungsrahmen und Standards, aber eben auch um ethische Fragen, wo die Grenzen liegen und wo der Mensch zwingend die Entscheidungshoheit behalten soll – etwa wenn es um Leben und Tod geht oder um Recht und Unrecht.

Welche Chancen bieten sich Europa auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz? Immerhin vertreten zahlreiche Kritiker die Meinung, China einerseits und das Silicon Valley andererseits seien längst uneinholbar enteilt.

Ja, Europa hat global einen Rückstand aufzuholen. Dennoch verfügen insbesondere Deutschland und Frankreich über wichtige Potentiale, die es auszubauen gilt. Und das ist doch gerade auch die Chance: KI mit europäischen Werten – das ist die Gelegenheit für Deutschland und Europa, sich zwischen China einerseits und dem Silicon Valley andererseits zu positionieren. Denn es ist aus meiner Sicht zwingend, dass sich die europäische Gesellschaft – bei der Technologie, die über ein Riesenpotenzial verfügt – eben auch über die großen ethischen und rechtlichen Fragen verständigt, die damit zusammenhängen.

Die Fragen stellte Claudia Detsch.

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